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Der elektrische Zugbetrieb auf den schlesischen Gebirgsbahnen

Die elektrische Zugförderung Lauban-Königszelt mit abzweigenden Strecken (1912)
Von Regierungsbaumeister Kleinow, Breslau

Die Einführung elektrischen Zugbetriebes auf den schlesischen Gebirgsstrecken, für welche der Preußische Landtag durch Kreditgesetz vom 30. Juni 1911 die Mittel bewilligt hat, umfaßt die Strecken Lauban-Königszelt (129 km zweigleisige Hauptbahn), Niedersalzbrunn-Halbstadt (35 km eingleisige Hauptbahn), Hirschberg-Grünthal (53 km eingleisige Nebenbahn) und Hirschberg-Landeshut (40 km eingleisige Nebenbahn).

Die Hauptstrecke Lauban-Königszelt durchschneidet das dichtbevölkerte niederschlesische Industriegebiet und berührt Hirschberg. Hier beginnen die eigentlichen Riesengebirgsbahnen, welche die besuchtesten Sommerfrischen und zugleich Winterkur- und Sportplätze des Riesengebirges erschließen.
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Fast sämtliche Strecken haben Gebirgscharakter. Die Hauptstrecke Lauban-Königszelt überwindet zwischen Königszelt und Fellhammer, d.i. auf einer Strecke von 35 km, einen Höhenunterschied von 316 m. Die größte Steigung zwischen freiburg und Niedersalzbrunn beträgt hierbei 20
0/00. Fellhammer ist der höchste Punkt der Hauptstrecke.Die Bahn fällt von Fellhammer nach Hirschberg um 205 m, steigt dann noch mal um 105 m und fällt dann nach Lauban wieder um 231 m.



Die durch ihre Höhenverhältnisse besonders bemerkenswerte Strecke Hirschberg-Grünthal überwindet einen Höhenunterschied von 547 m. Die Strecke Petersdorf-Jakobsthal steigt um 491 m auf einer Länge von 24 km. Auf dieser Strecke liegen viele Kilometer in einer Steigung von 25
0/00. Jakobsthal ist die höchste Erhebung der Bahn (886 m über Meeresspiegel.)


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Trotz der schwierigen Neigungsverhältnisse sind die zu befördernden Zuggewichte sehr groß, so daß an die Betriebsmittel die höchsten Anforderungen gestellt werden. Die heute vorzugsweise verwendeten Dampflokomotiven gehören überwiegend zu den neuesten und leistungsfähigsten Heißdampflokomotiven schwerer Bauart. Im Personenverkehr werden meist dreifach, im Güterverkehr vier- oder fünffach gekuppelte Lokomotiven verwandt. Trotzdem ist Vorspann sehr häufig erforderlich, im Personenverkehr zu den Zeiten starken Verkehrs, im Güterverkehr während des gesamten Jahres.

Als erste Aufgabe des elektrischen Betriebes wird daher eine möglichst weitgehende Beseitigung des Vorspanndienstes erstrebt. Im übrigen wird zunächst eine Änderung der heutigen Betriebsverhältnisse nicht beabsichtigt.. Nach Einführung des elektrischen Betriebes kann eine Verbesserung der Fahrgelegeneheit wegen der schwierigen Streckenverhältnisse weniger durch Erhöhung der größten Fahrgeschwindigkeit ls durch Erhöhung der Geschwindigkeit auf den Steigungen erreicht werden. Gerade hierzu bietet der elektrische Betrieb die besten Aussichten, sa daß zu erwarten steht, daß die lang gehegten Hoffnungen der Bevölkerung auf Verkürzung der Fahrzeiten erfüllt werden.
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[Elektrische Kraftbetriebe und Bahnen, Heft 32, 14. November 1912]

Die elektrische Zugförderung auf den schlesischen Gebirgsstrecken (1917)
Vom Geheimen Baurat Epstein - Vortrag, gehalten im Verein für Eisenbahnkunde zu Berlin am 17. April 1917

Zu den wichtigsten und erfolgreichsten Versuchen der preußischen Staatseisenbahnverwaltung auf dem Gebiet der Zugförderung gehörte die Erprobung des elektrischen Betriebes im großen auf Vollbahnen, nachdem die Vorteile dieser Betriebsart auf Straßen-, Schnell- und Kleinbahnen und für besondere Zwecke (wie z.B. Bergbahnen mit Zahnrad- und Seilbetrieb) zweifelsfrei feststanden.

Ermutigend wirkten die günstigen Erfahrungen mit dem elektrischen Betriebe der Altona-Hamburger Stadtbahn Blankenese-Ohlsdorf mit reinem Personenverkehr. Es folgte daher alsbald der Versuch auf einer Fernbahn mit gemischten Personen- und Güterverkehr jeder Art. Die Strecke Magdeburg-Halle-Leipzig wurde gewählt wohl in erster Linie wegen der dort vorhandenen reichen Braunkohlelager, die eine sehr vorteilhafte Erzeugung des elektrischen Stromes von vornherein und für lange Zeit gewährleisteten.

Schon die erste Teilstrecke Dessau-Bitterfeld zeigte die Brauchbarkeit der gewählten Einrichtungen, allerdings zunächst nur für eine Flachlandbahn mit normalen Verkehrs- und einfachen Witterungsbedingungen.

Es fehlte nun noch ein Versuch auf einer ausgedehnten Gebirgsbahn mit schwerstem Zugverkehr jeder Art unter besonders schwierigen klimatischen Verhältnissen, die hierbei eine große Rolle spielen.

Die Wahl fiel auf die schlesischen Gebirgsbahnen, wo die nötigen erschwerenden Umstände in ausgiebigstem Maße vorhanden sind, um die elektrische Zugförderung in ihrer technischen und wirtschaftlichen Gesamtheit auf die endgültige zu stellen. Man kann wohl sagen: "Wenn es hier geht, dann geht es überall!"
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Dieses Bahnnetz hat in der Hauptsache das Niederschlesische Kohlen- und Industrierevier und das Riesengebirge, sowie das Waldenburger Gebirge mit ihrem sehr lebhaften Personen- und Güterverkehr zu bedienen. Trotz der starken Steigungen mußten Zuggewichte bis zu 500 t für Schnell- und Personenzüge und von 550-1200 t für Güterzüge zugrunde gelegt werden.
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Die schlesischen Gebirgsstrecken bestehen nun im wesentlichen aus Krümmungen. Gerade Gleise kommen nur ausnahmsweise und in geringer Länge vor, selbst auf der zweigleisigen Hauptstrecke Königszelt-Lauban gehen die Krümmungshalbmesser der freien Strecke auf 188 m in einem Falle herab, wobei die Steigung 1:50 (= 20 v.T.) beträgt. Hinzu kommen noch die klimatischen Verhältnisse mit einem langen schneereichen Winter, der häufig sehr schöne, für Drahtleitungen aber nicht unbedenkliche Rauhreifbildungen bringt, ebenso wie heftige Schneestürme von tage-und wochenlanger Dauer. Eine Anzahl von Tunneln und zahlreiche Wegüberführungen sowie die Bruchfelder der Steinkohlegruben und bis zu 15 m hohe, aus Geröll bestehende Bahndämme erfordern für die Fahrleitungen besondere Maßnahmen konstruktiver Art.
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[Verkehrstechnische Woche, Nr. 1/2, 11. Januar 1919]

Elektrische Zugförderung auf  der Strecke Hirschberg-Grünthal 1923
 Reichsbahndirektion. Breslau, den 21. Juli 1923
 An den Herrn Reichsverkehrsminister, Berlin
 Betrifft: Elektrische Zugförderung auf  der Strecke Hirschberg-Grünthal.
Zu den Erlassen E.IV.36.D.3421 vom 26.2.23 und E.IV.36.D.14344 vom 9.7.23
 Berichter: Abteilung II: Oberregierungsbaurat Usbeck
 
Mit dem Erlaß E.IV.36.D.3421 vom 26.2.23 waren wir beauftragt zu prüfen, ob nicht ein Teil der 6 Triebwagenzüge der Gattung 3+B1+3 [Anmerk.: gemeint sind ET 87], die auf der Strecke Ruhbank-Liebau nicht voll ausgenutzt werden, zweckmäßig an anderer Stelle verwendet werden kann. Es war dabei angeregt worden, diese Triebwagen zur Entlastung des Personenzugdienstes auf der Strecke Hirschberg-Grünthal zu verwenden und zwar sollten besondere Triebwagenzüge auf der Strecke Hirschberg-Petersdorf zunächst nur für den Ausflugsverkehr eingelegt werden, während später nach Durchführung des Motorumbaus diese Triebwagen bis Grünthal verkehren sollten.
 
Wir haben diese Frage eingehend geprüft. Die Verwendung der Triebwagen dieser Gattung für die Strecke Petersdorf-Grünthal kommt auch nach dem Umbau der Motoren nicht in Betracht, weil auch die umgebauten Motoren nicht über die notwendige Leistung, die auf dieser Steilstrecke nötig ist, verfügen. Es bleibt daher nur der Verkehr zwischen Hirschberg und Petersdorf übrig. Dieser Verkehr würde unserer Ansicht nach nur in der Hauptreisezeit einen nennenswerten Umfang annehmen. In der übrigen Zeit würde lediglich die Einlegung eines Triebwagenzuges für den Arbeiterverkehr zwischen Hirschberg und Petersdorf zweckmäßig sein. Es könnte also kaum auf eine ausreichende Besetzung von regelmäßig verkehrenden Triebwagen gerechnet werden, es sei denn, dass zwischen dem Tarif der Reichsbahn und dem der Hirschberger Talbahn eine so beträchtliche Spannung nestehen würde, dass der Verkehr der Talbahn aus diesem Grunde zum Teil auf die Reichsbahn übergehen würde. Eine solche Maßnahme scheint uns aber nicht angängig, weil wir als Aufsichtsbehörde für die Hirschberger Talbahn dem wirtschaftlichen Interesse dieser Gesellschaft nicht entgegenarbeiten dürfen.
 
Es bietet sich nun Gelegenheit, diese Triebwagen, soweit sie nicht auf der Strecke Ruhbank-Liebau gebraucht werden, auch auf der Hauptstrecke dem Personenzugverkehr nutzbar zu machen. Diese Gelegenheit ist gegeben, nachdem der elektrische Betrieb auf die Strecke von Lauban nach Görlitz ausgedehnt sein wird und nachdem der Umbau der Triebwagenmotoren, den wir mit unserem Bericht vom 11.d.Mts. – 25 Te 1145 – beantragt hatten, durchgeführt ist. Auf der Strecke von Lauban nach Görlitz verkehren eine Anzahl Triebwagenzüge aus Akkumulator-Triebwagen, die nach Inbetriebnahme der elektrischen Streckenausrüstung aus Oberleitungstriebwagen gebildet werden können, so dass die Akkumulatortriebwagen für andere Zwecke frei werden. Außerdem wird es voraussichtlich möglich sein, einzelne dem Lokalverkehr zwischen Hirschberg und Lauban dienende Züge mit diesen Triebwagen zu befördern, sodaß nach Durchführung des Motorumbaus eine ausreichende Ausnutzung dieser Triebwagengattung ermöglicht wird.
 
Was nun den Personenzugbetrieb auf der Strecke Hirschberg-Grünthal anbelangt, so sind wir der Ansicht, das dieser zur Zeit mit elektrischen Lokomotiven durchgeführte Betrieb in Zukunft besser durch Triebwagen bewältigt werden kann. Es liegen dafür 2 Gründe vor: 1) wird durch die Einführung von Triebwagenzügen die Frage der Besetzung der Züge mit einem Führer ohne weiteres gelöst, während für die einmännige Besetzung der elektr. Lokomotiven bisher noch keine endgültige Regelung gefunden worden ist, und 2) wird die Wirtschaftlichkeit der elektr. Zugförderung auf der Strecke Hirschberg-Grünthal verbessert, indem von Josephinenhütte nur mit einem Triebwagen bis Grünthal weitergefahren wird, weil zwischen Josephinenhütte und Grünthal nur ganz schwacher Verkehr herrscht. Das ist von umso größerer wirtschaftlicher Bedeutung, als die Kosten des Gemeinschaftsbahnhofs Grünthal nach der Zahl der den Bahnhof berührenden Wagenachsen zwischen den beiden Gemeinschaftsverwaltungen aufgeteilt werden, sodaß wir das größte Interesse daran haben, mit möglichst wenig Achsen nach Grünthal hineinzufahren. Das würde an sich auch mit Lokomotiven erreicht werden können, es ist aber ein Unding, mit einer 110 t schweren Lokomotive und nur wenigen Wagenachsen den ca. 18 km langen Streckenabschnitt Josephinenhütte-Grünthal zu befahren. Die Ausnutzung der Lokomotiven ist zur Zeit infolge des geringen Verkehrs auf dieser Strecke überaus mangelhaft.
 
Durch Einführung leistungsfähiger Triebwagen würde es möglich sein, die schweren Güterzuglokomotiven für den Betrieb auf der Hauptstrecke frei zu bekommen, sodaß der Güterzugpark für die Hauptstrecke um mindestens 5 Lokomotiven verstärkt werden würde. Wenn also Triebwagenverkehr für die Strecke Hirschberg-Grünthal besonders zweckmäßig ist, so ist zu prüfen, welche Triebwagenbauart am vorteilhaftesten Verwendung findet. Wir möchten nach den Ergebnissen des bisherigen Betriebes vorschlagen, die gleiche elektr. Ausrüstung für diese Triebwagen zu beschaffen wie für die Triebwagen auf der Strecke Ndr.Salzbrunn-Halbstadt. (Anmerk.: gemeint sind ET 88) Wir haben im Benehmen mit den S.S.W. die Frage geprüft, welche Änderungen an dem Zahnradvorgelege notwendig sind, um den größeren Bedarf an Zugkraft und der geringeren Höchstgeschwindigkeit gegenüber den Betriebsverhältnissen auf der Strecke Ndr. Salzbrunn-Halbstadt zu entsprechen. Die Untersuchungen haben ergeben, dass man das Zahnradübersetzungsverhältnis nicht beliebig verändern kann, weil der Abstand des Zahnradschutzkastens von Schienenoberkante sonst zu gering werden würde. Unter diesen Umständen wird es sich empfehlen, das gleiche Übersetzungsverhältnis beizubehalten wie auf der Strecke Ndr. Salzbrunn-Halbstadt und zwar 1:4,17. Das Zuggewicht, das bei diesem Übersetzungsverhältnis noch befördert werden kann, beträgt 300 t, entspricht also dem Bedürfnis des Betriebes auf der Strecke Hirschberg-Grünthal. Man erreicht dadurch auch den Vorteil, dass die Triebwagen ohne weiteres mit denjenigen der Strecke Ndr.Salzbrunn-Halbstadt zusammen fahren können, sodaß auch die Reservehaltung günstiger wird.
 
Zusammenfassend schlagen wir vor,
1)     von einer Verwendung der Triebwagen der Bauart 3+B1+3 wegen nicht ausreichender Leistung auf der Strecke Petersdorf-Grünthal Abstand zu nehmen,
2)     Triebwagenverkehr auf der Strecke Hirschberg-Grünthal in Zukunft einzurichten und
3)     Triebwagen mit der gleichen elektr. Ausrüstung, wie sie auf der Strecke Ndr. Salzbrunn-Halbstadt bereits im Betrieb und für die neuen Triebwagen dieser Strecke beantragt ist, auch für die Strecke Hirschberg-Grünthal in Zukunft zu beantragen.

Elektrische Zugförderung auf den schlesischen Gebirgsbahnen

Elektrotechnische Zeitschrift, 1923, Heft 8 (22. Februar 1923)

Im Laufe des Monats Februar d.J. Wird der elektrische Betrieb auch auf dem letzten teil des von der früheren Preuß. Eisenbahnverwaltung aufgestellten Elektrisierungsprogramms aufgenommen werden, der Strecke Hirschberg-Grünthal. Damit ist der ursprüngliche Plan bis auf die Elektrisierung der Strecke Hirschberg-Schmiedeberg-Landeshut durchgeführt, die mit Rücksicht auf den geringen Verkehr zurückgestellt worden ist. Der ursprüngliche Plan hat insofern eine Erweiterung erfahren, als zur Zeit die Verlängerung der Hauptstrecke von Lauban nach Görlitz bis zu dem nahe bei Görlitz gelegenen Verschiebebahnhof Schlauroth in Angriff genommen ist. Es wird beabsichtigt, den elektrischen Betrieb auf dieser Strecke im Sommer dieses Jahres aufzunehmen. Der elektrische Zugbetrieb auf den schlesischen Gebirgsbahnen kann noch immer nur zum Teil durchgeführt werden, weil eine große Zahl der bestellten Lokomotiven noch auf die Anlieferung harrt. Zurzeit stehen dem Betrieb 8 elektrische Personenzug- und 19 elektrische Güterzuglokomotiven zur Verfügung. Mit diesen Betriebsmitteln ist es möglich, den Personenbetrieb etwa zur Hälfte, den Güterzugbetrieb etwa zu 40% durchzuführen. Nach dem Anlieferungsplan wird der größte Teil der noch fehlenden Lokomotiven im Laufe dieses Jahres geliefert werden, so daß mit der Aufnahme des Vollbetriebes in diesem Jahre gerechnet werden kann. Ub. (Usbeck)

Elektrotechnische Zeitschrift, 1924, Heft 14 (3.April 1924)
Am 20. III. d.J. ist die elektrische Fahrleitung der Strecke Görlitz-Schlauroth in Betrieb genommen worden. Damit ist der letzte Teil der für den elektrischen Betrieb ausgebauten Strecke Königszelt-Görlitz-Schlauroth dem elektrischen Betrieb übergeben und ein vorläufiger Abschluß des Elektrisierungsplanes für das schlesische Netz erreicht worden. Es ist zwar ein umfangreiches Programm für die Elektrisierung weiterer Strecken in Vorbereitung. So war z.B. die Ausrüstung der Strecke Dittersbach-Glatz schon für das Jahr 1923 und der Strecke Breslau-Liegnitz für 1924 und folgende Jahre geplant. Die schwierige finanzielle Lage der Reichsbahn hat es nicht erlaubt, diese Pläne auszuführen oder in Angriff zu nehmen. Es ist vorläufig noch nicht zu übersehen, wann sie verwirklicht werden können.

Die ständig zunehmende Belastung der Züge auf den elektrisch betriebenen Strecken hat auch eine Verstärkung der Kraftwerksleistung nötig gemacht. Ein weiterer Stromerzeuger für 8000 kW Dauerleistung ist in Auftrag gegeben worden und wird zu Anfang des nächsten Jahres in Betrieb genommen werden. Er wird durch eine Zweidruckturbine mit Dampfspeicherbetrieb angetrieben werden, um die beim Bahnbetrieb auftretenden Belastungsstöße wirtschaftlicher als bisher überwinden zu können. Auch zwei der vorhandenen vier Stromerzeuger von je 4000 kW Leistung werden für Speicherbetrieb umgebaut werden.

Der elektrische Betrieb auf den schlesischen Gebirgsbahnen umfaßt jetzt die 158 km lange zweigleisige Hauptstrecke Königszelt-Schlauroth und die südlich davon abzweigenden Seitenlinien Nieder-Salzbrunn‒Halbstadt, Ruhbank-Liebau und Hirschberg-Grünthal. Während die Personenzüge jetzt fast durchweg elektrisch befördert werden, kann der Güterzugbetrieb auch heute noch erst etwa zur Hälfte mit elektrischen Lokomotiven durchgeführt werden, weil noch eine große Anzahl von Lokomotiven auf die Anlieferung warten. Dem Betriebe stehen jetzt 11 schwere und 7 leichte Personenzuglokomotiven, 24 Güterzuglokomotiven und 10 Triebwagen zur Verfügung. Im Laufe dieses Jahres sollen noch 9 schwere und 7 leichte Personenzuglokomotiven sowie 21 Güterzuglokomotiven ausgeliefert werden.

Die Erfahrungen mit den Fahrzeugen sind im allgemeinen recht günstig, doch hat der letzte schwere Winter gezeigt, daß man beim Bau elektrischer Lokomotiven auf die im Gebirgsgelände auftretenden schweren Schneestürme besonders Rücksicht nehmen muß, da der feine Staubschnee beim Sturm auch in die feinsten Öffnungen eindringt und die Gefahr der Durchfeuchtung elektrischer Teile mit sich bringt.
Die Leistung der Lokomotiven ist zum Teil beträchtlich größer als im Liefervertrage vorgesehen war, so daß auf Steigungen von 10 ‰ Zuggewichte von 500 t Anhängelasten im Personenzugdienst und von 1200 t im Güterzugdienst von einzelnen Lokomotivgattungen befördert werden können. Dabei ist noch die Geschwindigkeit auf den Steigungsstrecken wesentlich größer als beim Dampfbetrieb, so daß auch die Fahrzeiten nicht unerheblich herabgesetzt werden können.

Die Fahrleitungsanlagen haben sich auch in diesem überaus schwierigen Winter im allgemeinen gut bewährt, abgesehen davon, daß an manchen Tagen mit orkanartigen Schneestürmen Bügeleintgleisungen mehrfach aufgetreten sind, die eine besondere Abstützung der Fahrleitung bei größerer Entfernung der Stützpunkte voneinander notwendig gemacht haben. Dagegen hat die Fernleitung, die in früheren Wintern häufig Störungen durch Eis und Sturm ausgesetzt war, über die in dieser Zeitschrift seinerzeit berichtet wurde, in diesem Jahr Jahre keinerlei Störungen aufgewiesen, so daß durch den Umbau dieser Leitung ein voller Erfolg erzielt worden ist.
Usbeck.

Elektrotechnische Zeitschrift, 1925, Heft 32 (6. August 1925)
Mit dem am 5. VI. in Kraft getretenen neuen Fahrplan ist nun auch der letzte bisher noch mit Dampflokomotiven durchgeführte Lokomotivdienstplan Hirschberg-Schlauroth von elektrischen Lokomotiven übernommen worden.Damit ist die Elektrisierung des Betriebes auf den schlesischen Gebirgsbahnen in vollem Umfange durchgeführt worden. Gleichzeitig konnte der Fahrplan sowohl der Personenzüge als auch der Güterzüge noch mehr als bisher den Eigenschaften der elektrischen Lokomotiven angepaßt werden. Bei den Personenzügen ist ide Reisedauer auf der 157 km langen Strecke Königszelt-Görlitz gegenüber dem früheren Dampfbetrieb um rund 1 h, bei den zwischen den beiden 126 km voneinander entfernten Zugbildungsbahnhöfen Schlauroth und Dittersbach verkehrenden Güterzügen um fast 3 h abgekürzt worden. Das ist in der Hauptsache durch die größere Geschwindigkeit der elektrischen Lokomotiven auf den Steigungen erreicht worden, die bei den Personenzügen um 50, bei den Güterzügen fast 100 % größer ist als bei den Dampflokomotiven, obwohl gleichzeitig die Zuggewichte bei den Personenzügen von 360 t auf 550 t, bei den Güterzügen von 900 t auf 1300 t angewachsen sind. Bei den Güterzügen ist die starke Verkürzung der Reisedauer außer durch die größere Geschwindigkeit auf den Steigungsstrecken auch durch den Fortfall des Lokomotivwechsels auf den Zwischenstationen Hirschberg und Lauban erzielt worden.

Der elektrische Betrieb auf den schlesischen Gebirgsbahnen hat, nachdem er die jeder technischen Entwicklung anhaftenden Kinderkrankheiten überwunden hat, die technische und wirtschaftliche Eignung des elektrischen Betriebes mittels einfachen Wechselstromes für schweren Hauptbahnbetrieb im vollen Umfange erwiesen.

Die Steigerung der Leistungen bei den einzelnen Zügen ist oben bereits behandelt worden. Von den Lokomotiven werden Monatsleistungen bis 13 000 km im Personenzugbetrieb und 8000 km im Güterzugbetrieb erreicht. Die Jahresleistungen der auf der Hauptstrecke verkehrenden Lokomotiven erreichen 100 000 km bei den Personenzuglokomotiven und 70 000 km bei den Güterzuglokomotiven, auf den Nebenstrecken sind sie wegen des beschränkten Verkehrs natürlich geringer, liegen aber auch dort weit über dem Durchschnitt der Dampflokomotivleistungen.

Für 1000 Lokomotiveinheitskilometer wurden im April im elektrischen Betrieb 1,86 Lokomotivtage gegenüber 2,72 im Dampfbetriebe, beides im Durchschnitt bei der Reichsbahndirektion Breslau aufgewendet. Die Ersparnis betrug also 32 %. Dabei ist noch zu beachten, daß im Dampfbetriebe in der Hauptsache Flachlandbahnen, bei dem elektrischen Betriebe aber ausschließlich Gebirgsbahnen betrieben werden. Das verschiebt den Vergleich noch zugunsten des elektrischen Betriebes.

Ebenso günstig ist der Vergleich bezüglich des Personalaufwandes. Für 1000 Lokomotiveinheitskilometer wurden beim elektrischen Betriebe 0,21 Köpfe an Lokomotivpersonal gebraucht, im Dampfbetriebe 0,37. Die Ersparnis betrug 43%. Das wird durch die einmännige besetzung elektrischer Lokomotiven bei Güterzügen und leichteren Personenzügenb und durch den Wegfall von Lokomotivwechsel auf Zwischenstationen erzielt.

Der wesentlichste Vorteil des elektrischen Betriebes liegt in den Ersparnissen an Brennstoffkosten. Während beim Dampfbetrieb im Durchschnitt 420 kcal je tkm verbraucht wurden, sind beim elektrischen Betriebe auf den schlesischen Gebirgsbahnen nur 230 kcal je tkm erforderlich. Die kcal kostet nun zurzeit bei Lokomotivkohle 0,286 Pf, bei der im Kraftwerk Mittelsteine verfeuerten Kohle 0,16 Pf. Also außer der Ersparnis an Wärmemenge tritt auch noch eine weitere Ersparnis an Wärmekosten ein.

Der Ausbesserungsstand, der in den ersten Jahren der Entwicklung recht hoch waren, hat sich sehr günstog entwickelt. Er beträgt bei den verschiedenen Lokomotivbauarten 10 bis 15 %, nur bei einer Reihe von 6 Lokomotiven ist er infolge Schäden durch mangelhafte Werkstattausführung, die zurzeit behoben werden, wesentlich größer. Insgesamt sind bis jetzt 57 Lokomotiven und 10 Triebwagen vorhanden. Zwanzig Lokomotiven und elf Triebwagen sind noch im Bau begriffen. Der Triebwagenbetrieb wird wegen der sehr günstigen Erfahrungen weiter ausgebaut werden. Der Verkehr auf den Seitenstrecken Nieder-Salzbrunn-Halbstadt und Ruhbank-Liebau wird schon seit Jahren mit Triebwagen bedient. Nach Lieferung der neuen Triebwagen im Frühjahr des nächsten Jahres wird auch die Seitenlinie Hirschberg‒Ober-Schreiberhau‒Polaun mit Triebwagen betrieben werden. Auch für geeignete Züge auf der Hauptstrecke sollen Triebwagen verwendet werden.

Es ist bisher leider wegen der Schwierigkeit der Kapitalbeschaffung nicht möglich gewesen, die betrieblich so notwendige Ausdehnung des elektrischen Betriebes auf die 48 km lange Strecke von Königszelt bis Breslau durchzuführen, so daß bei sämtlichen Zügen in Königszelt die Lokomotive gewechselt werden muß. Die seit längerer Zeit geplante Elektrisierung der Strecke Brockau-Breslau-Liegnitz Arnsdorf, auf der wegen des sehr starken Verkehrs besonders große Ersparniss durch den elektrischen Betrieb erzielt werden könnten, mußte aus dem gleichen Grund unterbleiben. Es ist zu bedauern, daß die Weiterentwicklung dieses so erfolgversprechenden jungen Zweiges der Verkehrstechnik durch die ungünstige Wirtschaftslage gehemmt wird.
Usbeck.


Triebwagenbetrieb auf den schlesischen Gebirgsbahnen 1929
Von W. Usbeck, Breslau

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Bei Einrichtung elektrischen Betriebes auf den schlesischen Gebirgsbahnen wurde zunächst fast ausschließlich die Lokomotive verwendet. Nur für die Strecke Nieder Salzbrunn-Halbstadt wurde von vornherein, zunächst versuchsweise, für den Personenverkehr Triebwagenbetrieb vorgesehen. 1914 wurden hierfür sechs Triebwagen (der Bauart ET 87) in Dienst gestellt.
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Nach anfänglichen Misserfolgen, die sich aus der Unzulänglichkeit der damals (1913 bis 1914) noch in der Entwicklung begriffenen Bauweise der Wechselstrommotoren erklärte, brachte der in den Jahren 1925 und 1926 erfolgte völlige Umbau der Motoren in reine Reihenschlussmotoren den Erfolg mit sich. Seitdem werden mit diesen Wagen regelmäßige Leistungen von 6.000 bis 8.000 km im Monat erzielt. Sie sind eine wesentliche Stütze des Personenzugbetriebes der schlesischen Gebirgsbahnen geworden.

In den Jahren 1921 und 1922 wurden der schlesischen Gebirgsbahn vier weitere Wechselstromtriebwagen zugewiesen (ET 88), die ursprünglich als Versuchstriebwagen für die Wechselstromelektrisierung der Berliner Stadtbahn gebaut und infolge der damals getroffenen Entscheidung freigeworden waren. [...] Diese Triebwagen hatten von Anfang an einen besseren Erfolg. Ihre durchschnittliche Laufleistung betrug bis zum Juni 1929 375.000 km. Die vier Triebwagen genügen, um den ganzen Personenverkehr auf der Strecke Nieder Salzbrunn-Halbstadt zu bedienen. Außerdem werden auch einige Lokalzüge auf den Strecken Königszelt-Nieder Salzbrunn-Ruhbank gleichzeitig mit diesen Triebwagen gefahren.

Die Betriebsergebnisse waren so gut, dass die Ausdehnung des Triebwagenbetriebes auf weitere Strecken beschlossen wurde. Dafür kamen in erster Linie die Strecke Hirschberg-Ober Schreiberhau-Polaun in Frage. Diese Strecke ist die landschaftlich schönste, aber auch die schwierigste der schlesischen Gebirgsbahnen. Sie wurde zunächst mit sechsachsigen Lokomotiven der Achsfolge C + C mit einer Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h betrieben. [...] In den Hauptreisezeiten im Juli und August, während des Wintersportverkehrs sowie an den großen Festtagen muss die Strecke einen Massenverkehr bewältigen, während in der übrigen Zeit nur geringer Verkehr auf ihr liegt. Auch ist der Verkehr ungleichmäßig über die Strecke verteilt und über Ober Schreiberhau hinaus sehr schwach. Es ergab sich daraus die Notwendigkeit, dass auf dem nahe bei Ober Schreiberhau gelegenen Bahnhof Josephinenhütte der größte Teil des Zuges zurückgelassen wurde und die schwere sechsachsige Lokomotive mit zwei Wagen nach Polaun weiterfuhr. Diese Betriebsweise war sehr unwirtschaftlich. Abgesehen von der umständlichen Verschiebearbeit in Josephinenhütte wurden die teueren Lokomotiven sehr schlecht ausgenutzt. Auch das Umsetzen der Lokomotiven in Polaun und vor allem in dem betrieblich unzulänglichen Bahnhof Hirschberg war lästig. In dem Jahre 1927 wurde daher der Lokomotivbetrieb vollständig auf Triebwagenbetrieb umgestellt, und zwar mit vierachsigen Triebwagen der Achsanordnung 1 A + A 1.
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Diese Triebwagen sind imstande, bis zu vier Stück zweiachsige Nebenbahnwagen der Einheitstype der Deutschen Reichsbahn auf Steigungen von 25 ‰ zu befördern. In der Regel werden die Züge aus zwei Triebwagen und bis zu acht Beiwagen gebildet, wobei je ein Triebwagen am Anfang und Schluss des Zuges läuft. In Josephinenhütte bleibt der größte Teil des Zuges zurück, und nur der vordere Triebwagen fährt bis Polaun weiter. Bei der Rückfahrt setzt sich der Triebwagen in Josephinenhütte wieder an den Zug. In den Hauptreisezeiten werden die Züge aus drei Triebwagen und zwölf Beiwagen gebildet. Diese Betriebsweise hat sich als vorteilhaft erwiesen. Sie ermöglicht eine vollkommene Anpassung an die jeweilige Verkehrsstärke. Auf der Teilstrecke mit schwachem Verkehr waren früher Züge von 10 bis 12 Achsen (einschließlich der Lokomotivachsen) für jeden Zug nötig. Heute verkehren nur noch Züge von vier Achsen. Die gleiche Betriebsweise wird auf der Strecke Nieder Salzbrunn-Halbstadt angewendet. Auch dort fährt der aus Triebwagen mit vier bis fünf Beiwagen bestehende Zug bis zur vorletzten Station Friedland, von wo aus der Triebwagen allein bis Halbstadt und zurück fährt.
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Die Frage der Wirtschaftlichkeit des Triebwagenbetriebes ist der Gegenstand eingehender Prüfung gewesen. Der Betrieb der Strecke Hirschberg-Polaun, die früher mit Lokomotiven bedient wurde, bot nach der Umstellung auf Triebwagenbetrieb dazu gute Gelegenheit. Für die Strecke wurden früher zehn sechsachsige Lokomotiven der Bauart C + C gebraucht, von denen vier auf den Güterverkehr entfielen. Für den Personenverkehr werden jetzt acht Triebwagen und zwei für Ersatzzwecke gebraucht. Zehn Triebwagen stehen also sechs Lokomotiven gegenüber.

Die Beschaffungskosten des Lokomotivzuges setzen sich folgendermaßen zusammen:

1 Lokomotive...............................................350 000 RM
1 Packwagen.................................................17 300 RM
10 Personenwagen 2. und 3. Klasse........160 000 RM
Zusammen...................................................527 300 RM

Die Beschaffungskosten des Triebwagenzuges betragen hingegen:

2 Triebwagen...............................................297 000 RM
1 Packwagen.................................................17 300 RM
7 Personenwagen 2. und 3. Klasse..........115 100 RM
Zusammen...................................................429 400 RM

Für den Betrieb der Strecke sind vier Zugpaare dieser Zusammensetzung nötig. Ferner sind an Lokomotiven und Triebwagen je zwei für Reserve und Ausbesserung zu rechnen. Die Gesamtbeschaffungskosten belaufen sich daher auf folgende Werte:

a) beim Lokomotivbetrieb

6 Lokomotiven.........................................2 100 000 RM
4 Packwagen................................................69 200 RM
40 Personenwagen....................................640 000 RM
Zusammen...............................................2 809 200 RM

b) beim Triebwagenbetrieb

10 Triebwagen........................................1 485 000 RM
4 Packwagen................................................69 200 RM
28 Personenwagen....................................460 400 RM
Zusammen...............................................2 014 600 RM

Der Unterschied beträgt also 795.000 RM zugunsten des Triebwagenbetriebes. Bei einem Kapitaldienst von 12 % beträgt die jährliche Ersparnis an Kapitaldienst 95.400 RM.

Für die Ermittlung der Betriebskosten ist der Unterschied der Ausgaben für die Zugförderungsarbeit zu berücksichtigen. Bei dem früheren Lokomotivbetrieb betrug das Zuggewicht einschließlich Lokomotivgewicht auf der Teilstrecke Hirschberg-Josephinenhütte 280 t und auf der Teilstrecke Josephinenhütte-Polaun 150 t. Rechnet man mit durchschnittlichen 30 Wh/tkm, so beläuft sich der Arbeitsverbrauch auf der ersten 35 km langen Teilstrecke auf 588 kWh, auf der 18 km langen Reststrecke auf 162 kWh für Hin- und Rückfahrt.

Das Zuggewicht der Triebwagenzüge beträgt auf der Strecke Hirschberg-Josephinenhütte 265 t, auf der Strecke Josephinenhütte-Polaun 70 t. Bei dem gleichen Wattstundenverbrauch je Tonnenkilometer beläuft sich der Arbeitsverbrauch auf der ersten Teilstrecke auf 557 kWh, auf der Reststrecke auf 76 kWh für Hin- und Rückfahrt. In jedem Zugumlauf erspart daher der Triebwagenzug 117 kWh. Die Gesamtersparnis an Zugförderungsarbeit für den Betrieb auf der Strecke Hirschberg-Polaun beläuft sich im Jahre auf rund 500.000 kWh.
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[Elektrische Bahnen, Heft 11, 1929]


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